Grundlage der folgenden Ausführungen ist ein Kapitel aus dem Fachunterricht während meiner Lehre als Schriftsetzer bei Günter Schmitt.
Der Weg zur europäischen Schrift
Entwicklung vom Gross- zum Kleinbuchstaben
Entwicklung der gebrochenen Schriften
Entwicklung der runden Schriften
Anhang: Das «s» in der gebrochenen Schrift
Bogenschützen aus einer spanischen Höhlenmalerei. Überleitung zu den ersten Bilderschriften.
Die Keilschrift entwickelte sich vom Bild zur Strichform. Sie bestand aus Wort-, Laut- und Deutzeichen.
Die Zeichen der Hieroglyphen wurden ebenfalls als Wort-, Laut- und Deutzeichen verwendet.
Die ägyptischen Kursivschriften waren hieratisch¹ (2500 v.Chr.) und demotisch² (600 v.Chr.)
¹ von den Pristern vereinfachte Hieroglyphenschrift
² altägyptische volkstümliche Schrägschrift
Das phönizische Alphabet besass nur Konsonantenlaute. Es breitete sich nach Griechenland aus.
Älteste griechische Inschrift, furchenbändig geschrieben.
Erstes vollständiges Alphabet mit Konsonanten- und Vokalzeichen.
In Stein gemeisselte römische Grossbuchstabenschrift. Diese römische Kapitalschrift bildete den
Ausgangspunkt für alle europäischen Schriften.
Breite, mit gerader Federhaltung geschriebene Buchschrift der Römer.
Schmale, mit sehr schräger Federhaltung geschriebene Buchschrift der Römer.
Letzte reine Grossbuchstabenschrift mit runder Formgebung und Ansätzen von Ober- und Unterlängen. Die Buchschrift des Frühchristentums.
Entstanden unter dem Einfluss der flüssig geschriebenen älteren römischen Kursive.
Bildung von Ober- und Unterlängen. Einige Kleinbuchstaben sind schon fertig ausgebildet. Die Halbunziale bildete den Übergang
zur Kleinbuchstabenschrift. Sie wurde beeinflusst von der jüngeren römischen Kursive.
In verschiedenen Ländern bildeten sich Abarten der Halbunziale, die sogenannten Nationalschriften. Diese Schriften entarteten
und wurden mit der Zeit schwer leserlich.
Erste stilreine Kleinbuchstabenschrift. Ausgebildet auf der Grundlage verschiedener Halbunzial- und Nationalschriften. Für Titel
und Auszeichnungen wurden die älteren Schriften wie Quadrata und Unziale verwendet.
Ab dem Ende des 12. Jahrhunderts beeinflusst der gotische Stil die karolingische Minuskel. Die Schrift wird enger geschrieben
und die Rundungen werden allmählich gebrochen.
Streng gotische Schrift. Alle Rundungen sind verschwunden, die Schrift ist eng und wirkt gitterförmig.
Gutenberg nahm die gotische Textura als Vorbild für seine erste Druckschrift.
Nebenform der gotischen Textura. Mischung von runden und gebrochenen Formen.
Die Rotunda war die gotische Schrift Italiens und Spaniens.
Die Schwabacher ist unter dem Einfluss der Buchkursiven und der Rotunda entstanden. Sie ist breiter, runder
und offener als die Textura.
Die Fraktur ist schlanker als die etwas derbe Schwabacher. Die Grossbuchstaben
haben geschwungene Schleifen (Elefantenrüssel).
Johann Schönsperger verwendete 1514 erstmals die Fraktur als Druckschrift.
Stark verzierte Schreibschrift der Kanzleien. Als Druckschrift kam sie im
19. Jahrhundert als Zierschrift zur Anwendung.
Die italienischen Humanisten nahmen für ihre Bücher die karolingische Minuskel als Vorbild. Diese so entstandene Humanistenschrift
bildete die Grundlage für die erste Antiqua-Druckschift.
Die Kleinbuchstaben sind von der humanistischen Minuskel abgeleitet. Die Grossbuchstaben haben die Form der römischen Capitalis.
Die Kleinbuchstaben wurden durch Anbringen von ausgerundeten Serifen den Grossbuchstaben angepasst.
Einige Schöpfer der Renaissance-Antiqua:
• Nicolas Jenson, Venedig, 1470
• Aldus Manutius, Venedig, 1499
• Claude Garamond, Paris, 1540
Antiquatype des Übergangsstils. Die Gegensätze der Bildlinien werden stärker, die Ansätze weniger schräg und die Achse der Rundungen ist
fast gerade. Der Handschriftcharakter geht langsam verloren.
Einige Schöpfer der Barock-Antiqua:
• Christoph van Dyck, Holland
• William Caslon, England
• John Baskerville, England
Der Handschriftcharakter ist verschwunden. Die Serifen und Ansätze sind waagrecht und dünn, die Schriftachse ist senkrecht.
Starke Unterschiede zwischen dicken und dünnen Bildlinien.
Schöpfer der klassizistischen Antiqua:
• Giambattista Bodoni, Italien
• Firmin Didot, Frankreich
• Justus Erich Walbaum, Deutschland
Anfangs des 19. Jahrhunderts in England entstanden.
Die Ansätze und Serifen wurden blockartig und ebenso kräftig geformt wie die Senkrechten.
Ebenfalls in Entland entstanden. Alle Serifen und Anstriche sind weggelassen. Die Bildlinien sind fast gleich dick.
Diese Schriftform wirkte im Vergleich zu den traditionellen Antiquaschriften für die damalige Zeit grotesk.
In den gebrochenen Schriften gibt es neben dem Rund-s
() auch
noch das sogenannte Lang-s (
).
Das Rund-s steht in gebrochenen Schriften
• am Schluss eines Wortes
• am Schluss einer Silbe
Das Lang-s steht in gebrochenen Schriften
• am Anfang eines Wortes
• am Anfang einer Silbe
• in den Lautverbindungen sp
()
und st (
)
• als Doppellaut
() nach kurz ausgesprochenem Vokal, z.B. in «Wasser»
(nach lang gesprochenem Vokal hingegen steht ß)